Platons Ideenlehre und C++

Im dtv-Atlas zur Philosophie (ISBN 3-423-03229-4, Seite 39) findet sich die folgende Beschreibung zu Platons Ideenlehre:

„Inhalt der platonischen Ideenlehre ist ein angenommenes Reich immaterieller, ewiger und unveränderlicher Wesenheiten, der Ideen (…) (Anm.: Klassen in C++). Ideen im Sinne PLATONS sind Urbilder der Realität, nach denen die Gegenstände der sichtbaren Welt geformt sind. Diese Ideen existieren objektiv, d.h. unabhängig von unserer Kenntnisnahme oder Gedankenwelt. Sie entspringen also nicht einer Setzung unseres Bewusstseins, sondern werden durch dieses erkannt. Deshalb lässt sich PLATONS Position als objektiver Idealismus beschreiben.
Beispiel: Dass wir trotz unterschiedlichster Gestalt von Fliege, Fisch und Pferd all diese Einzelwesen als Tiere erkennen, lässt darauf schließen, dass es ein gemeinsames Urbild »Tier« gibt, das allen Tieren gemein ist und deren Wesensform bestimmt. So ist es die Idee des Tieres, die die unterschiedlichsten Organismen erst zu Tieren macht (Anm.: Vererbung in C++) (…). Nach der wohl authentischsten Interpretation, der Zwei-Welten-Theorie, geht PLATON davon aus, dass die Welt der unveränderlichen Ideen der Welt des Vergänglichen übergeordnet ist. Erstere Welt besteht dann wirklich, wie die Eleaten es schon für das Sein gefordert hatten.

Die Welt des Körperlichen ist dem Reich der Ideen untergeordnet, ethisch wie ontologisch: Sie hat ihr Sein nur in der Teilhabe (…) oder Nachahmung (…) der eigentlich seienden Welt der Ideen.“

Die obige Beschreibung von Platons Ideenlehre lässt sich fast wortwörtlich auf das Klassenkonzept von C++ übertragen: Von Platons Urbildern werden zunächst neben den eigentlichen Ideen technische Spezifikationen, sogenannte Basisklassen, abgeleitet. Dabei handelt es sich um bestimmte Ideen, die als formale Klassen vorgegeben sind. Diese werden i.a. vom Hersteller (z.B. Microsoft) geliefert. In gewissen Sinn sind sie damit (jedenfalls für den Anwender) unveränderlich. Es ist möglich, von den vorgegebenen Formen (Ideen, Klassen) andere formale Klassen abzuleiten. Man sagt, das Urbild vererbt gewisse Eigenschaften, d.h. Daten und Methoden, auf die abgeleitete Klasse oder Idee.

Wie bei Platon werden auch bei C++ zwei Welten unterschieden. Die „Welt der unveränderlichen Ideen“ entspricht den Deklarationen oder Formen (englisch: forms). Die „Welt des Vergänglichen“, die in der klassischen Philosophie oft auch als die „Welt der Erscheinungen“ bezeichnet wird, entspricht den Inhalten (englisch: instances), die erst beim Ablauf eines Programms entstehen und sichtbar werden, d.h. erscheinen. Der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt ergibt sich durch einen komplexen technischen Adressierungsprozess.

Platons Ideenlehre
Platons Ideenlehre

Beispiel zu Platons Ideenlehre

Als Beispiel kann man sich ein Computerspiel vorstellen, das eine virtuelle Welt simuliert und auf Eingaben eines Spielers reagiert. Um den Bezug zu der obigen Beschreibung von Platons Ideenwelt herzustellen, kann man annehmen, dass neben anderen Spielfiguren auch virtuelle Tiere mitspielen.

Der technische Ablauf der Programmentwicklung ist folgendermaßen: Beim Programmdesign wird die Klassenhierarchie entworfen. Die Beschreibung der Form der Ideen in Computersprache erfolgt durch sogenannte Deklarationen und Definitionen. Durch Kompilierung werden diese Formen in ein physikalisches Format gebracht.
Wenn das Programm sich an das Klassenkonzept von C++ hält, dann werden die virtuellen Tiere erst dann zum Leben erweckt, wenn der Benutzer durch einen Mausklick entsprechende Aktivitäten startet. Dafür muss es entsprechende Anweisungen im Programm geben, z.B. „new“. Ein anderes Beispiel ist die obige Zeichnung mit einem computergesteuerten Bleistift (englisch: PEN). Aus der vorgegebenen allgemeinen Bleistiftklasse CPEN lassen sich individuelle Stifte für Linien mit verschiedenen Dicken und Farben ableiten und zum Leben erwecken. Genauso wie mit einem richtigen Bleistift kann man dann mit den passenden virtuellen Stiften ein Bild zeichnen. Platon lebte zu einer Zeit (427-347 v.Chr.), in der es noch keine Computer gab. Seine Beobachtungen und Überlegungen bezogen sich also auf eine naturgegebene Umwelt.

Wenn man davon ausgeht, dass Platons Ideenlehre richtig ist (was noch zu beweisen wäre), dann würden bestimmte Konzepte der modernen Softwaretechnik Aufschluss über die Welt der Ideen geben.
Die natürlichen Ideenwelten wären also mit den virtuellen Welten auf dem Computer vergleichbar.

Wichtige Wissensgebiete, wie z.B. die Erkenntnistheorie, wären dann nicht nur für die Geisteswissenschaften und die Esoterik interessant, sondern könnten durch Übernahme passender Konzepte aus der Programmierung bzw. Softwareentwicklung mit mathematischen Methoden und Modellen dargestellt werden.

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